1831 – 1912
XI.
Du lebendiger Palast des
Engelkönigs!
Der Gott der Geister ist kein
Gott des Todes;
Nein, ew’ge Quelle untigbaren
Lebens,
Urantrieb jenes überreichen
Webens,
Das Geist um Geist bewegt, um
Welten Gottes
Zahllose Welten. Haucht Er:
lebt Ihm Totes;
Gebeut er: sieh, geschah es
nicht vergenens
Umkreist Ihn raschweg,
wonnesamen Schwebens,
Endloses Neugebild’, azurnes,
rotes. –
Doch im Verlauf der ewigen
Aeonen
Erschienen Ihm des
Lichtpalastes Räume
Wie allen Lebens bar und
ausgestorben:
Bis Er die Reinste fand in
irdischen Zonen,
Die Lebensmutter, die (wähnt
nicht, ich träume!)
Ein Gott um Blut zum Tempel
sich erworben. –
XII.
Du Himmelstreppe Gottes zu uns
Menschen!
(St. Augustin.)
So hoch der Nachtgeist
einstens stieg zu Sternen,
Um trotz all jenem
schnöderborgten Blinken
Zum Flammenabgrund schmählich
hinzusinken,
Hin zu des finstern Chaos
tiefsten Fernen:
So hoch will Demut, daß wir
schweben lernen,
Indem wir Pfaden folgen, die
uns winken
Durch Leid zum Licht; indem
wir Kelche trinken,
Die aller Sünden Gift aus uns
entfernen.
Von Stuf’ zu Stufe stieg die
Liebe nieder:
Vom Thron zum Stall zum Kreuz,
zum Grabe
Um heimzuholen die verlornen
Brüder.
Doch fragt ihr, welche Trepp’
den zarten Füßen
Zum Niedergang gedient, die
Heilesgabe
Zu bringen: hört sie „Himmelsaufgang“
grüßen!
XIII.
Du Wasserleitung der
göttlichen Gnade!
(St. Bernhard.)
Im Paradies versiegte einst
die Quelle,
Aus welcher Wasser drang für’s
ew’ge Leben.
Da sah’n vom Meer wir jenes
Wölkchen schweben
Empor dort an des Karmels heil’ge
Stelle,
Das einst Elias schaute
dämmernd helle.
Zur Wolke ward’s, die
Segenstau uns geben,
Die Gnadenregen strömen
sollte. Reben
Und Halme blüh’n von dieses
Nasses Welle.
So rein hat sich noch nie ein
Quell ergossen,
Wie dieser quoll aus voller
Himmelswolke;
So lauter sich noch nie ein
Born erschlossen.
Kein Wunder denn, daß lauter
auch die Leitung
Sich zeigen muß, auf daß dem
Gottesvolke
Zum Heile munde dieses Tranks
Verbreitung.
XIV.
Du Morgenröte des ewigen
Lichtes!
(St. Bernhard.)
Die Nacht entfleucht. Der heit’re
Morgen grauet.
Schon streift den Horizont die
goldne Sonne;
Schon weckt sie ringsumher des
Lebens Wonne.
Seht, welch ein Perlenschmuck
die Au betauet!
Bevor indes der Gnadenhimmel
blauet,
Steigt reinster Duft empor zum
Lichtesthrone.
Und wo den Duft verklärt die
Strahlenkrone
Des Lichtquells, glänzt
Aurora, schaut nur, schauet!
Und stammt Aurora, dämmert
auch der Morgen.
Und rötet sie sich frischer,
liebestrahlend,
So glüht auch rascher Helios
auf im Glanze
Der Majestät. – Hinweg ihr
finstern Sorgen!
Der neue Tag bricht an. Seht,
Preis Ihm zahlend,
Die Fittigträger nah’n im
Schwingentanze!
XV.
Du Wurzel der kostbarsten
Blüte!
(St. Methodius.)
Trotz allem Schweiß und allen
herben Mühen
Entsproß dem fluchbelad’nen
Erdengrunde
Der Dorn, die Distel nur, auf
daß zur Stunde
Das Sündgeschlecht gedächt’,
die Luft zu fliehen.
Nur ein Trost blieb: es müsse
einst erblühen
Aus Jesse’s Stamm ein
Wunderreis. Die Kunde
Vererbte sich von Seher-Mund
zu Munde;
Und Heil ward allen, die das
Ohr dir liehen.
Schon ist gestreut der heil’ge
Himmelssamen.
Das Würzlein fehlt nur noch.
Bald muß es sprießen,
So reich benetzt vom reinsten
Geistestaue.
Und seht, es keimt! Die Engel
es begießen.
O wie entzückt es alle, die da
kamen,
zu schau’n was ihm entsproß
auf sonniger Aue!
XVI.
Du Baum des fruchtbringendes
Lebens!
(St. Bonaventura.)
Dem Sündenbaume war der Tod
entsprossen,
Da Schlangenlist obsiegte
einst dem Weibe,
Das keck lustwandeln ging zum
Zeitvertreibe
Der falschen zu, entfernt vom
Ehgenossen.
Doch als die vier Jahrtausende
umflossen,
Entkeimte (daß nicht unerhört
mehr bleibe
Der Väter banges Seufzen)
jenem Leibe
Aus reinstem Stoff der
herrlichste der Sprossen.
O welch ein Baum im neuen
Edensgarten!
Er birgt die süße Frucht des
ew’gen Lebens,
Beschattend ein Gefild, dem
Engel warten.
Er trägt von Tugendblüten
tausend Arten.
Was an ihm aufrankt
gläubigfrommen Strebend:
Führwahr, es grünt in Hoffnung
nicht vergebens!
XVII.
Du Nährerin dessen, der alles
ernährt!
(St. Hieron.)
Die ew’ge Lieb’ vergißt nicht
auf den Zweigen
Des kleinsten Vögleins, nicht
des Wurms im Staube:
So zeigt es uns Natur, so
lehrt’s der Glaube
Vom Vater dort, vom
güteüberreichen.
Sie, denen Salomo’s Schmuck
nicht zu vergleichen,
Die Lilien, die den Gluthen
bald zum Raube;
Die Blümchen all der Au’ und
Wies’ und Laube:
Sie nähen, spinnen nicht; und
doch – kaum weichen
An Pracht sie Himmelssternen.
Sieh’, wohl kennest
Du Ihn, der alles nährt und
herrlich kleidet. –
Doch frag’ ich dich, ob du mir’s
Schäfchen nennest,
Das Hüll’ und Speise einst dem
Lamm bereitet,
Und sprichst du Engelssprache,
so bekennest
Du fromm: Sie ist es, die der
Seraph neidet.
XVIII.
Du Sachverwalterin des
Himmels!
(St. Andreas Avell.)
Weh, Erd’ und Himmel liegen
tief im Streite!
Ach, wer besänftiget ihr
lautes Grollen,
Hört man hier Flüche, dorther
Donner rollen?
Sieht man den Drachen Gift
versprüh’n im Neide?! –
Wohlan, es naht in schneeig
weißem Kleide,
Mit Rosenwangen, mit so
zarten, vollen
Ein Mägdlein, dem die Geister
Ehrfurcht zollen,
Und schwingt die Friedensfahn’
ob unserm Leide;
Beut uns des Heiles Pfand,
verteilet Gnaden,
Verfügt freigebig über
Himmelsschätze,
Und eilt, zur Lammeshochzeit
uns zu laden;
Zerreißt des alten Feindes
Trugesnetze,
Und ruft: O folgt nur kindlich
meinen Pfaden,
So wißt: in’s Vaterland ich
euch versetze!“
XIX.
Du blühender Ruhesitz Gottes!
(St. Bonavent.)
Ermüdet war des Schöpfers Fuß
vom Schreiten
Hin durch die endlos weiten
Weltenauen,
Sein Auge wie erschlafft vom
Fernhinschauen
Hinein, hinaus durch alle
Ewigkeiten.
Ein Ruheplätzchen sucht er
sich im weiten,
Im unermess’nen All, im
lichten, blauen;
Und wo sein Auge Gnade
strahlt, da tauen
Die Pole auf, Ihm Matten
hinzubreiten. –
Doch nirgends trifft sein
wählerisches Spähen
Ein Plätzchen, wo die Augen
wonnig ruhten,
Weil keins genügend prangt im
Blütenflore,
Wie’s Ihm geziemt: - bis es
sein Geist ersehen
Im Herzen jener einzig
Schönen, Guten,
Die man nun Herrin preist im
Cherubchore.
XX.
Du Glanzestempel der
göttlichen Gnade!
(St. Andreas Hierosol.)
Allein von echtem, reinen
Ophirgolde
Getraut sich Davids Sohn in
grauen Tagen
Dem Herrn ein Haus zu bau’n
das überragen
Den Sionshügel und Moria
sollte.
Und doch – so herrlich er ihn
schmücken wollte - :
Nur Schattenbilder konnte er
(mit Zagen!),
Das Steingesetz nur, Stab und
Manna tragen,
In’s Zelt, wo er dem Herrn
Verehrung zollte. –
So sagt, was ziemet wohl dem
Gott der Gnade,
Dem ew’gen Urbild aller
Ebenbilder
Nun für ein Tempel? was für
eine Lade?
Welch Marmorhaus? sagt, welche
gold’ne Hallen,
Wenn, Israel! dir naht der
Herr, dein milder? - :
Traun, nur das Herz, das
glänzt von Gnadenstrahlen!